It Is a Man’s World
Von Nils Bothmann
James Ellroy, der sogenannte »American Dog of Crime Fiction«, schreibt hochkomplexe Romane, in denen tatsächliche Geschehnisse der jeweiligen Epoche mit fiktiven, komplizierten Verschwörungen vermischt werden, während seine maskulinen Hauptfiguren ein durchweg zynisches, gebrochenes Männerbild abgeben. In der Tradition des Hardboiled-Romans gibt es auf weiblicher Seite dann fast nur Huren und Heilige in Ellroys Welten, und nicht selten tarnt sich die eine als die andere. Doch selten gelang eine werkgetreue Adaption von einem Ellroy-Roman, obwohl Verfilmungen wie
Der Cop,
Browns Requiem oder
Dark Blue immer noch relativ unterhaltsam sind.
Doch zur Perfektion gelangte nur die Adaption von »L.A. Confidential«, hierzulande auch als »Stadt der Teufel« veröffentlicht. Bereits die Creditsequenz, in der ein Werbebericht in das Los Angeles der 1950er Jahre einführt, vermittelt die Stimmung einer glamourösen Stadt, unter deren idyllischer Oberfläche es jedoch brodelt. Dasselbe gilt für die drei Hauptfiguren des Films, drei Polizisten, die im Verlaufe der Handlung erst rivalisieren und schließlich zur Kooperation gezwungen werden: Der von seiner Umwelt chronisch unterschätzte Schläger Bud White, der smarte Showman Jack Vincennes und der junge Karrierist Ed Exley.
Im Vergleich zur Romanvorlage ist
L.A. Confidential dann gerafft und im Tonfall leicht freundlicher geworden, doch Helgelands Skript verfälscht die Vorlage keineswegs, sie macht mehrere hundert Seiten Roman stattdessen sinnvoll kinotauglich. Und obwohl Ellroys Roman noch böser ist, legt
L.A. Confidential einen Zynismus an den Tag, der in Hollywood seinesgleichen sucht, jedoch gleichzeitig der These folgt, daß Zyniker in Wahrheit gekränkte Idealisten sind. Ed Exley muß mit Erschrecken feststellen, in welcher Welt er Karriere machen will, Vincennes’ Ignoranz ist sein fataler Fehler, nur Bud White scheint von Anfang an dem höheren Ideal abgeschworen zu haben. Doch
L.A. Confidential unterläuft das vermeintliche Klischee geschickt: Gerade White, der Schläger, der Killer mit der Polizeimarke, ist in Wahrheit der Aufrichtigste des Trios. Ohne komplexe Artikulation verbreitet er seine eigene Form von Gerechtigkeit, die nicht unbedingt mit dem Gesetz konform geht, steigt jedoch zum Schutzengel malträtierter Frauen auf.
Genau da setzt dann auch die zentrale Frauenfigur von
L.A. Confidential an, die Prostituiere Lynn Bracken. Eingeführt als Hure, entpuppt sie sich schlußendlich als Heilige, mithilfe derer Bud White seine ganz eigene Form von Erlösung findet, wie der finale Dialog des Films klarmacht. Regisseur Curtis Hanson liefert bereits vorweg in Details Hinweise darauf, man denke an Lynns ersten Auftritt im Schnapsladen, in der die Kamera sie madonnenhaft einfängt, doch all dies fällt meist erst bei wiederholtem Genuß von
L.A. Confidential auf. Zwischendurch mag Lynn noch als Femme Fatale von Hansons Neo Noir erscheinen, sie ist es aber nicht: Wo die Femme Fatale dem Mann Verderben bringt, da bringt sie Erlösung.
Doch der Weg dorthin ist mit Leichen gepflastert, denn in
L.A. Confidential ist Los Angeles eben alles andere als eine Stadt der Engel. Trotz der Einsparungen gegenüber der Vorlage und seiner stattlichen Lauflänge von 133 Minuten ist
L.A. Confidential jedoch immer noch hochkomplex, ein meisterlich geschriebener Thriller – und eben mehr als das. Getragen von einer großartigen Ausstattung und famosen Darstellerleistungen aller Beteiligten ist
L.A. Confidential die Demontage klassischer Hardboiled-Männerbilder und gleichzeitig ihre Rekonstruktion in neuer, zurecht oscargekrönter Form.
2009-05-15 16:30