Römer sterben einsam
Von Nils Bothmann
Neil Marshalls bisheriges Portfolio ließ schon immer seine Liebe zum Genrefilm durchscheinen, ebenso seine Neigung dazu, kleine Personengruppen in ein lebensfeindliches Umfeld zu verfrachten: Soldaten in einen von Werwölfen verseuchten Wald (
Dog Soldiers), Höhlenklettererinnen in eine von Monstern behauste Grotte (
The Descent) und eine Spezialeinheit in ein postapokalyptisches Kannibalenrevier (
Doomsday).
Centurion kommt ohne die phantastischen Elemente seiner Vorgänger aus, ganz ohne Monster und Mutanten, doch hier ist es nun eine kleine Gruppe britischer Soldaten, die im Jahr 117 nach Christus im piktischen Feindesland ums Überleben kämpfen muß.
Mit historischer Genauigkeit hat
Centurion dabei ungefähr soviel am Hut wie
The Expendables mit realistischer Kriegsberichterstattung, der Konflikt von Römern und Pikten ist lediglich Aufhänger für testosterongeschwängertes Adrenalinkino, das sich eher am Kriegs- und Actiongenre als am Historienfilm orientiert. Bei manchen Verweisen mag der Zuschauer rätseln, ob es sich dabei um absichtliche Referenzen handelt, z.B. ob die Figur des wehrhaften, messerwerfenden Kochs an Casey Ryback aus
Alarmstufe: Rot angelehnt sein soll. Ansonsten werden aber pausenlos Standards beider Genres durchexerziert, von der obligatorischen Folterszene über das bekannte »Dies sollte mein letzter Einsatz sein«-Gerede bis hin zum Sprung vom gigantischen Wasserfall auf der Flucht vor Verfolgern. Selbst der wohlbekannte Moment, in der ein Schurke ganz beiläufig einen am Boden liegenden Verwundeten erschießt, findet hier seinen Platz, anstelle einer Pistole wird lediglich ein Bogen einhändig abgefeuert.
Mit seiner rauen Blut-und-Dreck-Ästhetik ist
Centurion durchaus stimmig inszeniert, krankt jedoch an dem unausgegorenen Script, das keine klare Linie findet: Nachdem sich der Film anfangs noch moderne Schlachtenepen wie
Gladiator als Vorbild nimmt, mutiert er nach der Reduktion einer ganzen Legion auf eingangs erwähnte kleine Gruppe kurz zum »guys on a mission«-Film in der Art von
Das dreckige Dutzend und
Agenten sterben einsam, um sich dann in der zweiten Hälfte zur Hetzjagd auf die verbliebenen Römer durch lebensfeindliches Gebiet zu verwachsen – Walter Hills Großstadtvariante des Themas
Die Warriors nicht unähnlich. Die mangelnde Figurenzeichnung trägt ebenfalls nicht unbedingt zum Gelingen des Films bei, geradezu grotesk mutet es dann an, wenn sich Marshall inmitten des blutig-eindimensionalen Gemetzels an kritischen Zwischentönen versucht: Viele der piktischen Verfolger sind von Rache für erlittenes Unrecht durch Römerhand motiviert, am Ende werden noch kurz die Ränkespiele in der römischen Gesellschaft thematisiert.
Diese Versuche kritischer Brüche wären durchaus akzeptabel, wäre der Rest des Films nicht so sehr daran interessiert, die piktischen Verfolger als eine brutale, herzlose Metzelmasse zu zeichnen, die ihr Schicksal durch die Hand der Helden verdienen. Daß in manchen Actionszenen der zur Zeit gängige Übersichtsverlust durch Wackelkamera und hektischen Schnitt vorherrscht, ist unschön, zumal Marshalls Linie hier recht unentschlossen ist: Zerschlagene Schädel, klaffende Fleischwunden und andere Splattereffekte werden in aller Deutlichkeit präsentiert, weshalb man das Gefühl hat, Marshall sei zwar daran interessiert, die Todes- und Verwundungsszenen genauestens zu zeigen, nicht aber immer das dazu führende Kampfgeschehen, was für den Actionfan jedoch prinzipiell interessanter ist als das Ergebnis.
Trotz all seiner Schwächen ist
Centurion immerhin zackig inszeniert, brauchbar gespielt und läßt abermals Marshalls Freude am puren Genrefilm erkennen. Das ist immerhin leidlich unterhaltsam, aber nach drei kleinen Perlen legt der Regisseur mit dieser Schlachtplatte seinen bisher schwächsten Film vor.
2010-10-04 12:19