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Todeszug nach Yuma

3:10 to Yuma. USA 2007 R: James Mangold. B: Halsted Welles, Michael Brandt, Derek Haas. K: Phedon Papamichael. S: Michael McCusker. M: Marco Beltrami. P: Relativity, Konrad Pict. D: Russell Crowe, Christian Bale, Peter Fonda u.a.
117 Min. Sony ab 13.12.07

Warten auf den Zug

Von Martin Holtz Der Western ist in seiner wechselvollen Geschichte schon mehrfach für tot erklärt worden. Genauso oft und genauso vorschnell fällt das Wort »Renaissance«, wenn es mal wieder ein größeres Hollywoodstudio wagt, eine Pferdeoper zu produzieren. Zuletzt war das 2003 der Fall, als Kevin Costners Open Range und Ron Howards The Missing in die Kinos kamen. Dabei leben die Elemente des Westerns im zeitgenössischen Unterhaltungskino, wo die festen Genregrenzen des klassischen Hollywood längst aufgeweicht sind und einem postmodernen, eklektischen Mischmasch der Konventionen Platz gemacht haben, munter weiter. Ein puristischer Western ist mittlerweile aber doch eine Seltenheit, und so erleben wir dieses Jahr eine weitere »Renaissance« durch James Mangolds Todeszug nach Yuma und Andrew Dominiks The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford. Beide Filme basieren auf Literaturvorlagen und sind Neuverfilmungen bekannter Klassiker. Hat das Remake des 50 Jahre alten 3:10 to Yuma irgendetwas Neues zu bieten? Eins ist sicher: Es ist der bessere Film, und das nicht nur, weil der Zug diesmal realistischerweise Verspätung hat.

Das Original fällt in die Kategorie »psychologischer Western«, die in den 1950er Jahren eine wesentliche Rolle dabei spielte, dem Genre zunehmend Respektabilität zu verleihen. Dazu zählen neben Anthony Manns Winchester ’73 und seinen Nachfolgefilmen mit James Stewart auch High Noon, mit dem 3:10 to Yuma einige wesentliche Elemente und Motive gemein hat. In kargen Schwarzweiß-Bildern und einer dem Film noir entlehnten Licht-und-Schatten-Dramaturgie konzentriert sich der Film auf den psychologischen Konflikt zwischen dem einfachen Rinderfarmer, der zum Helden mutiert (Van Heflin), und dem von ihm gefangengehaltenen, mephistophelisch gerissenen Schurken (Glenn Ford), der alle Tricks einzusetzen versucht, um seinem Gefängniswärter auf Zeit zu entkommen, bevor der Zug nach Yuma den Bahnhof erreicht und alle Hoffnung auf Freiheit zunichte macht. Das Psychoduell findet die meiste Zeit in einem kleinen Hotelzimmer statt, und damit verzichtet der Film auf die für das Genre typische Schwelgerei in der epischen Weite der Landschaft.

Das Remake ist in Farbe und weniger klaustrophobisch, und dieses Aufbrechen des Minimalismus auf formaler Ebene wird in der komplexeren Handlung widergespiegelt. Anders als im Original sind Gut und Böse hier weniger klar getrennt. Das brillante Spiel der beiden Hauptdarsteller Russell Crowe und Christian Bale läßt die Zuschauer mit ihren Sympathien immer wieder die Seiten wechseln. Mal lassen wir uns von Crowes rebellischem Trotz verführen, dann wieder sind wir fasziniert von Bales sturer Aufrichtigkeit. Dabei konzentriert sich die Kamera ganz auf ihre Gesichter, um alle Facetten des subtilen Spiels zwischen erzwungener Coolness und unterdrücktem Wahnsinn zu registrieren. Das Drehbuch dehnt die Handlung auf mehrere Tage aus, und so bekommt Kameramann Phedon Papamichael die Gelegenheit, die variierenden Lichtverhältnisse von gleißender Mittagssonne über schummriges Dämmerlicht bis hin zum flackernden Lagerfeuer in finsterer Nacht einzufangen und auf die ausdrucksvollen Gesichter der Schauspieler zu projizieren. Immer wieder verändern sich so die Mimik der Akteure und ihre Rolle im Auge des Betrachters. Die Nebenfiguren sind dabei nicht nur Zuspieler oder Folie, sondern dienen dazu, ein düsteres Bild der Frontier Community zu entwerfen, in der auf beiden Seiten des Gesetzes Gier, Sadismus und Korruption triumphieren. In so einer Welt sind die zwiespältigen Figuren noch die sympatischsten. Und gerade über dieses Spiel mit den Sympathien der Zuschauer versteht es Regisseur James Mangold, geschickt die Spannungsschraube kontinuierlich anzuziehen bis hin zum bleihaltigen Finale, das die psychologische Zwickmühle fast zum Bersten bringt.

Am Ende steht der Triumph im glorreichen Tod für eine aussichtslose Sache, und damit gelingt der ideologische Brückenschlag zur Moderne, der vor allem im Lager der politischen Falken Anklang finden wird. Doch auch hier schlägt der Film noch einen Haken, so daß dann doch der Unterhaltungsfaktor über allzu politisierende Heldenverklärung triumphiert. Oder, wie es Luke Wilson in seiner Minirolle als folternder Eisenbahnagent ausdrückt: »Morals ain‘t got a damn thing to do with it«, ein deutliches Echo von Will Munnys »Deserve’s got nothin’ to do with it«, bevor er in Unforgiven Sheriff Little Bill Dagget erschießt. Auch diese »Renaissance« ist ein Remake, aber es steht zu hoffen, daß sie nicht wieder viel zu früh in den Sonnenuntergang reiten wird. 2007-12-10 14:29

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