Tote schlafen nicht
Von Mary Keiser
Man möchte einfach, daß die 40er Jahre genau so ausgesehen haben. Bei Brian De Palma atmet jedes kleinste Detail nostalgische Perfektion. Von den Schreibtischutensilien Bucky Blanchards im Police Department, den schnittigen Wagen oder dem anstandslosen Sitz der Hosenträger bis zum lasziven Ziehen der Femmes Fatales an ihren Zigarettenspitzen oder dem Regen, der traurig von der Hutkrempe des desillusionierten Cops tropft, stimmt einfach alles. Selbst die grausam zugerichtete Leiche der als Schwarze Dahlie bekannt gewordenen Betty Short ist in ihrer Abscheulichkeit ein makabres Kunstwerk. Durch die von ihrem Mörder gedrehten Filme, geschickt in die Handlung eingebaut, begleitet die Tote die Lebenden bei der Aufklärung ihres eigenen Mordes, bei der Obduktion läßt eine gewitzte Kameraeinstellung sogar den Eindruck entstehen, als ob das Geschehen aus Sicht der Leiche erzählt würde.
Das kontrastierende Schwarzweiß des Film noir findet seine Entsprechung in antiken Braun- und Goldtönen, als wollte man auf althergebrachte Art bei der natürlichen Oxidation eines Fotos nachhelfen, es in Kaffee tauchen, die Ränder ansengen und zerknüllen. Die dadurch hervorgerufene sentimentale Stimmung bezieht sich weniger auf das historische L.A. der Nachkriegszeit, als vielmehr auf das fiktive L.A. der Bogart-Filme, den eigentlichen Schauplatz der Handlung, welche dadurch jedoch ein bißchen zu sehr nach Parodie schmeckt. Es wird zu viel kopiert auf Kosten der Originalität, die Darstellung der Charaktere beschränkt sich zu stark auf die – ohne Frage gelungene – Nachahmung der Ikonen, man glaubt mitunter, Humphrey Bogart, James Cagney, Lauren Bacall, Rita Hayworth oder Ingrid Bergman seien wiederauferstanden.
Die orgiastische Retro-Ästhetik lenkt von der eigentlichen Geschichte ab, in deren Zentrum die Dynamik der Dreiecksbeziehung zwischen Bucky, Lee und Kaye steht. Die Welt der befreundeten Cops, in der sich die Fronten mit einem ehrlichen Boxkampf unter Männern klären lassen, gerät zusehends aus den Fugen, je weiter sie sich in den asphaltierten Morast der urbanen Verkommenheit wagen. Lee verliert sich in der Obsession, den Fall zu seiner persönlichen Angelegenheit zu machen, Bucky in der Faszination für das moralische Zwielicht, insbesondere in Person der freizügigen Madeleine. Nun hätte nicht jede Liebesszene eine Explosion wilder Leidenschaft sein müssen, in der Tat fragt man sich im Laufe des Films, ob es damals wohl gesetzlich vorgeschrieben war, sich die Kleider möglichst stürmisch vom Leib zu reißen. Aber auch wenn das Drehbuch der Romanvorlage letztendlich nicht gerecht wird, ist es unmöglich, sich dem stilvollen Charme von The Black Dahlia zu entziehen, denn: Das Auge ißt mit.
1970-01-01 01:00