Black Power
Von Stefan Jung
Die 1960er waren kein besonders gutes Jahrzehnt für Schwarze in Amerika. Das stellt auch Agent J alias Will Smith im jüngsten
Men in Black bei seiner Zeitreise in die »swinging sixties« fest. Was gegenwärtig selbstreflexiv-unterhaltsam im Mainstream-Kino inszeniert wird, stellte damals den puren Überlebenskampf, die Emanzipation der farbigen Bevölkerung in den USA dar. Es sollte bis 1971 dauern, ehe dieser Populärdiskurs im filmischen Bereich auch unter Voraussetzung von »entertainment« Erfolge verzeichnen konnte.
»Who’s the black private dick, that’s a sex machine to all the chicks? – Shaft!« Groovig-cool begleitet die erste Lyrics-Zeile von Isaac Hayes’ Titelsong den selbstsicheren, virilen Gang von Richard Roundtree, führt die Hauptfigur bei ihren ersten Bewegungen namentlich ein. Wir erfahren mehr über diesen Ordnungshüter der besonderen Art, der häufig wohl nach eigenen Regeln spielt, dabei aber nie die Essenz von Rechtschaffenheit und Stil aus den Augen verliert.
Shaft gilt als erfolgreichster Vertreter des »Blaxploitation«-Cinema und verstärkte eine (film-)kulturelle Welle, die parallel zu den Werten des New Hollywood ihresgleichen suchte.
Der Film ist dabei zugegebenermaßen konventionell hinsichtlich Handlung und Schauspiel: Ein schwarzer Privatdetektiv, Ex-Cop, soll die entführte Tochter vom Drogenboß in Harlem ausfindig machen und muß dabei auch auf die Hilfe von Weißen zählen. Die von Roundtree verkörperte Titelfigur strotzt dabei nur so vor Selbstbewußtsein, wirkt aber nie zu aufdringlich in ihrer nötigen Selbstdarstellung. Es ist eine kleine, aber entscheidende Szene, welche die Figur allgemein akzeptiert und für jedermann zugänglich machte: Shaft sitzt im Büro eines (weißen) Kollegen von der städtischen Polizei. Zunächst ist die Rollenverteilung noch hierarchisch, denn der Beamte steht im Raum. Er hält Shaft einen schwarzen Kugelschreiber ans Gesicht und sagt: »You ain’t so black.« Daraufhin unser Titelheld: »You ain’t so white, baby« und vergleicht dessen Hautfarbe mit einem Blatt Papier. Simpel, ein bißchen plakativ, aber scheinbar das, was der Zeitgeist damals erforderte, um allgemeine Sympathie zu erwecken. Auch damals galten Farbige in weiten Teilen der Bevölkerung noch als rohe, gewalttätige Tiere, die kaum Gefühle kennen.
Das erklärt auch das aus heutiger Sicht peinliche, geradezu unfreiwillig komische Tränenvergießen des Gangsterbosses Bumpy Jones (Moses Gunn), der Shaft inständig bittet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sein Kind, sein einziges Baby zu retten. Der Film zielt in außerordentlichen vielen Momenten direkt auf den Nerv der Zuschauer. Gleichzeitig verfolgt er hemmungslos ein »concept of cool«, das heutzutage nicht mehr in all seinen Facetten zu funktionieren scheint.
Den Oscar hat – höchst verdient – der schwarze Komponist, Soullegende Isaac Hayes gewonnen. Sein Soundtrack-Doppelalbum bekam mehrfach Platin und gilt als Meilenstein der Musikgeschichte. Virtuos orchestriert und mit einem atemberaubendem Gefühl für Rhythmus erzählen die Tonfolgen auf akustischer Ebene die Geschichte des Farbigen, der im Großstadtdschungel seinen Mann steht. Ein Plädoyer für Freiheit und Unabhängigkeit (»Do your thing!«), sowie traditionelle Werte wie Ehre, Tapferkeit und Mut, die auch jeder Weiße verstand.
Wer die Blaxploitation-Nacht nicht enden lassen will, kann sich an einem Sammelsurium aus »Power« und/oder »Soul« ergötzen, die natürlich auch auf der Lieblingsliste von Quentin Tarantino stehen. Neben einer überwältigenden Trailer-Show auf dessen
Jackie Brown-Doppel-DVD (US/UK), seien im einzelnen
Coffy (1974),
Black Mama, White Mama (1972),
Three Tough Guys (1975) und
Story of a Three-Day Pass (1968) erwähnt. Ach ja, und der neue
Django Unchained von Tarantino selbst, wenn wir schon dabei sind.
2012-07-01 13:10