Auf die eigene Stimme hören
Von Muriel Schindler
Im April dieses Jahres hat Mathilde Bonnefoy für die Montage von Tom Tykwers Spielfilm
Drei den Deutschen Filmpreis erhalten. Bereits für die Montage ihres ersten Films
Lola rennt wurde sie mit dem Bundesfilmpreis für den besten Schnitt ausgezeichnet. Es war auch der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Regisseur Tom Tykwer. Seither hat die renommierte Editorin mit unterschiedlichen Filmemachern zusammengearbeitet und sehr verschiedene Filme geschnitten. Mit »Schnitt« sprach Mathilde Bonnefoy über ihren Werdegang, ihre Arbeit und Erfahrungen, über Autodidaktik und Filmtheorie, über die eigenen Empfindungen und darüber, wie Schnitte die Geschichte eines Filmes konstruieren.
In diesem Jahr haben Sie einen Deutschen Filmpreis für die Montage von Tom Tykwers Film Drei erhalten, was war das für ein Gefühl?
Ich habe mich natürlich gefreut.
Bereits für den Schnitt ihres ersten Spielfilms Lola rennt haben Sie einen Deutschen Filmpreis erhalten. Wie hat sich dieser frühe Erfolg auf Ihre weitere Arbeit als Cutterin ausgewirkt?
Der Erfolg von
Lola rennt und tatsächlich auch das Erhalten des Filmpreises dafür haben eine große Auswirkung auf meine Karriere gehabt. Ich war ziemlich jung als das alles passierte und auf jeden Fall sehr unvertraut mit dem Filmgeschäft. Der Preis hat mir einen Platz in der Filmbranche geschaffen und mich vor möglichen Unterschätzungen geschützt. Der Erfolg des Filmes sorgt heute immer noch dafür, daß ich Arbeit in der ganzen Welt angeboten bekomme.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Editor oder eine gute Editorin aus?
Wenn Sie diese Frage im Sinne von »woran erkennt man einen guten Editor bzw. einen guten Schnitt?« meinen, dann muß ich sagen, daß ich es sehr schwer finde, den Schnitt eines Filmes ohne Hintergrundinformationen zu beurteilen: Die Arbeit des Cutters beschäftigt sich mit allen Potentialitäten eines Filmprojektes und hinterläßt ein Ergebnis, das vollkommen maskiert, was der Film ansonsten hätte werden können. Das Spektrum ist bei allen Filmen sehr breit. Sehr oft finden in der Schnitt-Arbeit spektakuläre Wendungen und brillante Einfälle hinter den Kulissen statt, die dem fertigen Film als solche nicht anzusehen sind, auch wenn sie ihn sehr verbessert oder gar verwandelt haben. Es können aber genauso sehr bedauernswerte Entscheidungen stattgefunden haben, die einen Film ruinieren… Es ist quasi unmöglich, zu wissen, was man in dieser entscheidenden Hinsicht dem Schnitt bzw. dem/der Cutter/-in verdankt. Man kann nur raten. Auch die Wahrhaftigkeit des Spiels der Darsteller liegt massiv in der Verantwortung des Cutters. Die Performance eines Schauspielers kann nivelliert werden, in ihr schlechtestes oder eben auch in ihr allerbestes Licht gerückt werden. Auch da ist es schwer zu ahnen, womit der/die Cutter/-in zu arbeiten hatte. Die ästhetische Qualität des Rhythmus eines Filmes wiederum, seine Schärfe oder Eleganz oder die Art, wie dieser immer wieder kunstvoll auf die Füße fällt, das ist allerdings intuitiv spürbar oder erkennbar, wenn man bewußt darauf achtet. Aber es ist nur ein einzelner Aspekt der Arbeit. Man kann, glaube ich, getrost sagen, daß, wenn ein Film überhaupt gut ist, dann wurde er auf jeden Fall gut geschnitten. Andersherum gilt dies interessanterweise nicht unbedingt.
Wenn Sie wiederum Ihre Frage im Sinne von »welche Eigenschaften muß ein Editor besitzen, um gut zu sein?« meinen, dann würde ich folgendes sagen: In künstlerischen Belangen geht es nicht darum, Kompetenzen zu haben und diese gut anzuwenden. Es geht doch darum, etwas, was man empfindet, so unklar dies auch noch sein mag, zu versuchen so zum Ausdruck zu bringen, daß andere daran teilhaben können. Dafür muß man nicht so sehr ein gutes Rhythmusgefühl besitzen, sondern erstens genau das soeben Erwähnte tun wollen, und zweitens nach innen, in sich selbst, aufmerksam hineinhören, um dieses Gefühl, was man wiedergeben möchte, so gut wie möglich zu empfangen. Das ist nicht so einfach, aber es ist eine Willensfrage, im Grunde, und verlangt, daß man sich der Sache ernsthaft widmet. Man kann diese Fähigkeit, nach innen zu hören allerdings durch Wiederholung kultivieren. Wenn man einen Film schneidet, trifft man ununterbrochen Entscheidungen, wie zum Beispiel, ob man gewisses gedrehtes Material auswählt oder nicht, ob man Szenen so oder so schneidet oder woanders im Film auftauchen läßt oder gar komplett wegläßt, etc. Diese Entscheidungen lassen sich eigentlich alle auf die sowohl simpelsten als auch einzig wichtigen und mysteriösen Fragen zurückführen: »Finde ich das gut?« – »Finde ich das schlecht?« – »Weiß ich überhaupt, was ich finde?«. Das sind die einzigen Fragen, die gelten. Und dann handelt man entsprechend. Es geht im Grunde darum, so sehr wie möglich im Kontakt mit sich selbst zu sein. Den eigenen Regungen, so schwach oder unwichtig sie einem manchmal erscheinen können, zu trauen und zuzuhören, jenseits von all den konzeptuellen Gedanken, die man haben könnte; das ist, wie ich meine, die sinnvolle und schwierige Arbeit.
Ist es von Vorteil, daß Sie als Autodidaktin sehr intuitiv an den Schnitt herangehen?
Ich habe in der Tat lange Zeit gedacht, daß die Tatsache, daß ich am Anfang meiner Karriere keine Ahnung von Schnitttheorien und Fachwissen hatte, mich vielleicht schützen würde vor der Gefahr, »akademische« Arbeit zu machen. Aber das ist eine Illusion. Gefahren solcher Art lauern überall und man ist in dieser Hinsicht nie in Sicherheit. Und wer weiß, vielleicht wäre ich auch in der Lage gewesen, Schnitttheorien für mich relevant anzuwenden. Aber es stimmt schon: Ich finde, daß eine große Gefahr besteht, wenn man zuerst Theorien lernt und dann zu den eigenen Erfahrungen kommt. Es ist alles eine Frage der Reihenfolge. Es ist dasselbe mit künstlerischen Entscheidungen: Man sollte intuitiv urteilen, meine ich, dann erst, wenn überhaupt nötig, analysieren und verbal begründen, was man da gemacht hat. Nicht aus schon verbalisierten Gründen handeln. In der Kunst tastet man im Dunkeln, auf der Suche nach etwas sehr Filigranem und Flüchtigem, was man selber nur ahnt. Wenn man es trifft und vermitteln kann, dann ist es wie eine Entdeckung im existentiellen Bereich, die man macht und anderen mitteilt. Etwas Neues, ein feiner existentieller Sinn, der einem selbst und anderen im Leben vielleicht helfen wird. Gerade Theorien, konzeptuelle Gedanken oder vorgefertigte Meinungen können einem, in den Momenten der Selbstzweifel, die man als Künstler auch deshalb immer wieder erlebt, weil man halt etwas Neues kreiert, was noch nicht da gewesen ist, eine falsche Sicherheit geben.
Aber um Mißverständnisse zu verhindern möchte ich gerne noch hinzufügen, daß ich nichts gegen Theorien, Analysen, Interpretationen und sonstige Versuche, Phänomene konzeptuell zu erklären, habe. Im Gegenteil, diese sind sehr wichtig für uns als Menschen, um über uns selbst zu reflektieren. Die Gefahr besteht nur dann, wenn man sie als Handlungsgrundlage nimmt. Dann werden sie zu geschlossenen Systemen, die uns von dem Erlebten, und schließlich von uns selbst unmerklich trennen.
Sie haben inzwischen ganz unterschiedliche Filme geschnitten. Wenn man sich zum Beispiel den Film Orly anschaut, fällt in seinen langen Einstellungen und seinem ruhigen Erzählfluß ein starker Kontrast zu Filmen wie Lola rennt, Heaven oder The International auf. Gibt es dennoch eine persönliche Handschrift, ein Wiedererkennungsmerkmal in allen ihren Filmen, so etwas wie einen »Bonnefoy-Stil«?
Da bleiben wir beim selben Thema. Einen Stil zu haben bedeutet nichts anderes, als zu glauben, erkannt zu haben, was einen bisher erfolgreich gemacht hat und es dann bewußt zu wiederholen. In anderen Worten ersetzt man die eigene, feine Empfindung, wie etwas zu sein hat, durch eine vorgefertigte Meinung, wie man zu handeln hat. Eine sehr gefährliche Sache, um so mehr, weil sie verführt, weniger Risiken einzugehen und nicht zuletzt, weil sie auch oft Anerkennung bringt. Viele Rezipienten freuen sich darüber, einen Stil wiedererkennen zu können und würdigen das entsprechend. Somit verfestigt sich das Gefängnis, das man sich selber gebaut hat. Im Gegensatz dazu kann man in der Tat vielleicht sagen, daß es so etwas wie eine »Handschrift« gibt. Ich glaube, daß in all dem, was man tut, die Persönlichkeit, die man hat, wiederzufinden ist. Ob diese in einer Arbeit wie dem Filmschnitt, wo man mit dem Material eines anderen arbeitet, leicht zu erkennen ist, weiß ich nicht. Aber wir sind und bleiben wir selbst in all dem, was wir tun.
Ist es leichter, einen Film wie zum Beispiel Orly zu schneiden, der aus langen Einstellungen und wenig Schnitten besteht, im Vergleich zu einem Film wie The International, der besonders viele Schnitte hat?
Die Tatsache, daß es so wenige Schnitte bei
Orly gibt, nämlich höchstens einen Umschnitt pro Szene, hängt mit der grundsätzlichen Entscheidung der Regisseurin Angela Schanelec zusammen, überhaupt nur wenige Einstellungen für die jeweiligen Szenen zu drehen. Die Szenen wurden im Voraus schon als Plansequenzen konzipiert (= eine Einstellung, ohne Schnitt, soll für eine ganze Szene reichen), die allerdings mit zwei Kameras gedreht wurden. Nur so konnten wir innerhalb eines selben, einmaligen Ablaufs, falls erwünscht, umschneiden, was wir auch sehr sparsam gemacht haben. In anderen Worten: Die Materialmenge, die für die Schnittarbeit in Frage kam, war deutlich geringer als bei Filmen, die nicht so gedacht sind. Die längste Arbeit beim Schneiden ist das Sichten des gedrehten Filmmaterials, also war die gesamte Schnittzeit an
Orly entsprechend kürzer als bei anderen Filmen. In künstlerischer Hinsicht wiederum ist es nicht leichter einen Film mit wenig oder mit viel Material zu schneiden. Herauszufinden, welche Sequenzen man gut findet oder nicht, ob man eine Szene zeigt oder sie lieber wegläßt oder in welcher Reihenfolge man sie zeigt, wo man schneidet und was es ausmacht – diese Arbeit ist dieselbe bei allen Filmen. Beim Schneiden entscheidet man über den Sinn dessen, was man vermitteln will. Zu diesem Sinn zu finden ist genauso schwer und genauso maßgebend bei einem Film der wenige oder viele Einstellungen hat.
Wie hat sich dann die Arbeitsweise beim Schneiden von Orly von der Schnittarbeit der amerikanischen Produktion The International unterschieden?
Der Unterschied lag im Aufwand.
The International ist das gegensätzlichste Projekt, das man sich im Vergleich zum Film
Orly vorstellen kann. An
Orly haben wir drei Monate lang geschnitten, während der Schnitt von
The International ein ganzes Jahr gedauert hat. Mit Angela Schanelec habe ich fünf Tage die Woche von 9-14 Uhr gearbeitet. Dieser Arbeitsrhythmus war sehr angenehm und wir hatten das Gefühl, wir arbeiten sehr konzentriert und mit einem freien Kopf zugleich. Die Arbeit an
The International war eher wie ein Napoleonischer Feldzug. Der Film war eine ca. 75 Millionen Dollar Produktion. Wir hatten 160 Stunden Material und einen enormen Leistungs- und Erwartungsdruck. Hunderte von Spezialeffekten waren vorgesehen. Allein diese im Auge zu behalten, in ihren auf unseren Schnitt fast täglich neu angepassten Versionen, war ein riesiger verwaltungstechnischer Aufwand. Für die Schnittarbeit wurde eine gesamte Fabriketage angemietet. Ich hatte vier Assistenten. Ich habe die ersten vier Monate täglich elf Stunden, sieben Tage die Woche gearbeitet. Erst nachdem die erste Sichtungsphase vorbei war, als wir bereits eine erste Fassung vorliegen hatten und es nur noch darum ging, den Film wirklich zu verstehen und seine Wirkung zu optimieren, entspannte sich dieser Rhythmus ein wenig.
Und was war das Besondere an der Arbeit an Drei?
Drei war für Toms Verhältnisse wieder ein »kleiner« Film. Trotzdem haben wir ca. acht Monate am Schnitt gearbeitet. Tom Tykwer dreht eher relativ viel Material, sowohl in Bezug auf die Anzahl der Kameraperspektiven für eine Szene, als auch auf die Anzahl der Takes (also Wiederholungen bis alles »stimmt«) pro Einstellung. Ich schenke beim Sichten des Materials auch dem Spiel der Darsteller immer eine sehr hohe Aufmerksamkeit, und mir schien, daß es insbesondere bei diesem Film überaus wichtig werden würde, alle darstellerischen Leistungen bis ins letzte Detail, das heißt zum Beispiel bis in die Betonung einzelner Silben, zu optimieren. Das ist eine Meinung, die Tom natürlich teilte. Die drei Hauptdarsteller haben hervorragendes Material geliefert, aber sie haben sich darüber hinaus in äußerst komplizierte Szenen gewagt, und da galt es vor allem, sie zu schützen und gleichzeitig das Beste aus ihrer Arbeit herauszuholen. Es ist ein Film, der von seiner Konzeption her in eine sehr schematische und formalistische Richtung hätte gehen können. Deshalb schien es uns so wichtig, daß die Figuren innerhalb dieses Konstrukts sehr menschlich und authentisch sind.
Welche Wirkung sehen Sie in filmdramatischen Mitteln wie zum Beispiel den in Drei verwendeten Split Screens?
Split Screens oder Picture in Picture sind Filmsprachmittel, die für jeden Zuschauer sehr leicht als solche zu erkennen sind. Dadurch lenken sie die Aufmerksamkeit zwischenzeitlich, sei es auch nur unbewußt, auf die Form der Erzählung eines Filmes selbst. Sie können manchmal auch eine Reflexion, selbst eine ungewollte, über das Filmemachen an sich auslösen. Wenn man sie anwendet, kommt diese Komponente immer ins Spiel. Dies gesagt habend: Alles, was man beim Schneiden macht, ist, Elemente zu kombinieren, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Welche diese Wirkung ist, findet man meist durch Herantasten und Experimentieren heraus. Bei
Drei haben wir festgestellt, daß ein Aspekt des Lebens der Figuren, und im weitesten Sinne unseres Lebens als moderne Menschen – nämlich diese rasanten Überlagerungen von Eindrücken und Erlebnissen, die in unserem Bewußtsein auf vielen Ebenen stattfinden – so verstärkt, fast »bildlich«, zum Ausdruck gebracht werden konnte.
In Gabriele Voss’ »Schnitte in Raum und Zeit« beschreiben Sie den magischen Moment des ersten Schnittes, der noch vieles offen läßt. Wie lange bleibt diese Offenheit in Bezug auf den Sinn erhalten?
Der Sinn eines Films bleibt eigentlich offen bis zu dem Moment, in dem man beschließt, daß der letzte Schnitt daran gemacht ist. Also bis zum letzten Schnitttag. Wie kann das sein? Man könnte denken, daß dieser Sinn doch schon vom Drehbuch vorgegeben ist und daß sowohl das Drehen und der Schnitt bloße Umsetzungen davon sind. Es ist aber nicht so. Das liegt daran, daß, wenn einmal das Drehbuch in gedrehte Bilder und Töne umgesetzt ist, eine Komplexität, eine Widersprüchlichkeit im Material hinzugekommen ist – und zwar dadurch, daß echte Menschen, Orte, die Kameraführung und andere filmsprachliche Aspekte die Worte des Drehbuches ersetzt haben. Eine Vervielfältigung hat stattgefunden – und dieses Material drückt nun, durch seine zahlreichen, neuen Eigenschaften, viel mehr aus, als jemals der Plan oder die Absicht beim Drehbuchschreiben gewesen sein konnte. Das Medium ist jetzt nicht mehr das geschriebene Wort, sondern eben diese Bilder und Töne, die es in einer Masse gibt, die das weit übersteigt, was man davon im fertigen Film beibehalten kann. Eine Auswahl muß also beim Schnitt stattfinden, eine Auswahl, die bis in die kleinsten Details reicht – ich sprach vorhin von der Betonung einzelner Silben – und die uns damit konfrontiert, welchen Sinn, im Kleinen und im Großen, wir dem allen geben wollen. Denn solche kleinen Sinn-Entscheidungen führen zum Beispiel sehr schnell zu den Fragen der tieferen Persönlichkeit der Figuren und so zu der Frage nach deren Motivationen – und schon ist man damit im tieferen Sinn der Geschichte angekommen.
Es gilt also, das ganze Material so zu re-interpretieren, daß man am Ende einen Sinn hat, den man durch und durch für richtig und schön hält. Das ist die wahre Arbeit beim Schneiden. Man definiert den Sinn des Filmes, den tieferen, versteckten Sinn, der unter der Geschichte mitläuft, durch ein konstantes Anpassen und Verändern, bis man zufrieden ist.
Die erste Fassung des Schnittes eines Filmes zum ersten Mal zu sehen, ist insofern ein sehr bewegender Moment, als daß man da die Gelegenheit hat zum allerersten Mal die Summe aller kleinen und großen Schnittentscheidungen, die man soweit getroffen hatte, in einem großen Fluß zu erleben. Das ist der Moment, in dem Schauspieler zu Figuren werden und Überlegungen und Mutmaßungen zu einer Geschichte. Ab diesem Moment beginnt ein Nachdenken, das sich in den immer weiter fortschreitenden Schnittfassungen des Filmes manifestieren wird. Der Sinn des Filmes bleibt also solange offen, bis man beschließt, daß man ihn gefunden hat.
Sie haben inzwischen als Editorin und Regisseurin gearbeitet, haben Spielfilme und Dokumentarfilme geschnitten und auch realisiert. Wo sehen Sie die Unterschiede in Ihren verschiedenen Arbeiten und wie sehen Ihre Zukunftsprojekte aus?
Wenn man schneidet, bearbeitet man fremde Stoffe. So nah man sich diesen auch fühlen mag – was nicht immer der Fall sein muß –, ist es trotzdem immer ein Material, das aus dem Unterbewußtsein einer anderen Person hervorkommt und nicht aus dem eigenen. Das ist nicht notwendigerweise schlecht, ganz im Gegenteil. Diese Tatsache räumt einem eine große kreative Freiheit ein. Man schuldet keiner eigenen Absicht irgend etwas, kann relativ unbeschwert urteilen, in einer Art Idealzustand, wo das eigene psychologische Spannungsfeld kaum mit dem Objekt der Arbeit kollidiert. Das ist auch gerade der Grund, warum Regisseure Cutter gut gebrauchen können. Meine bisherige Erfahrung als Regisseurin, beziehungsweise als eine, die auch ihre Drehbücher schreibt, war das Gegenteil. Da handelt es sich um eine reflexive Arbeit, bei der durch das Fantasieren versucht wird, die eigene Existenz zu verstehen. So schwer mir das allerdings vorkommt, ist es das, was ich in der nächsten Zeit hauptsächlich verfolgen möchte.
2011-12-14 14:26