Für eine Handvoll australische Dollar
Von Martin Holtz
Was macht einen guten Genrefilm aus? Wenn ein Film innerhalb eines eng gesteckten Konventionsrahmens Originalität bieten kann und durch Verweise auf Vorgänger an ästhetischer und thematischer Resonanz gewinnt, dann ist das Resultat wunderbares Kino. Demnach ist
Red Hill ein guter Genrefilm, sicherlich kein brillanter, aber ein absolut sehenswerter.
Australien ist für Western kein unbeschriebenes Blatt. Neben Klassikern wie
Das große Treiben (1946),
Snowy River (1982) und
Quigley der Australier (1990) hat auch das jüngere australische Kino mit Filmen wie
Gesetzlos – Die Geschichte des Ned Kelly (2004) und
The Proposition (2005) intelligente Genrebeiträge geliefert.
Red Hill übernimmt von seinen illustren Vorgängern ein unbestreitbares filmisches Qualitätsmerkmal: die atemberaubende Landschaft. Australien ist, anders als das Ursprungsland des Westerns, Amerika, immer noch zu einem Großteil ungezähmte Wildnis, und
Red Hill betont diese Sonderstellung dadurch, daß er im Hier und Jetzt angesiedelt ist. In den Weiten der Landschaft, die in extremen Totalen eingefangen werden, wirken Charaktere und Siedlungen wie kleine Zivilisationsinseln, verloren und insignifikant. Im australischen Outback ist die Frontier noch lange nicht geschlossen. Einem aktuellen Genretrend folgend teilt
Red Hill mit Western wie
No Country for Old Men,
Todeszug nach Yuma, der Serie
Deadwood und dem schon erwähnten
The Proposition einen Hang zu Zivilisationskritik und ruppiger Gewalt, bleibt dabei aber eher der Unterhaltung als dem Anspruch verpflichtet. Das Ganze ist aber so gradlinig, spannend und kompetent gemacht, daß man über fehlende Tiefe gerne hinwegsieht.
Die Versatzstücke sind bekannt. Es geht um die Ankunft eines Fremden in einer isolierten Kleinstadtgemeinde, und wie diese mit ihm umgeht. Die Hauptbezugspunkte sind hier sicherlich die Genreklassiker
Mein großer Freund Shane (1953), von dem sich
Red Hills Hauptfigur gleich mal den Vornamen ausborgt, und Clint Eastwoods
Ein Fremder ohne Namen (1973). In diesem Kontext gefällt
Red Hill vor allem wegen seines linkischen Helden, der als pazifistischer Stadtmensch eigentlich mehr mit James Stewart in
Der große Bluff (1939) als mit seinem Namensvetter gemeinsam hat. Ryan Kwantens sympathische Darstellung von Shane Cooper hält immer die Balance zwischen humorvoller Unbeholfenheit, liebenswerter Sorgsamkeit für die schwangere Frau und einem nicht klischee- aber auch nicht ironiefreien Reifeprozeß zum Westernhelden. Aber
Red Hill ist auch ein knallharter Rachefilm und in dieser Hinsicht erfreulich kompromißlos. Als narbengesichtiger Bestrafer kommt Aborigine Jimmy Conway, gespielt von Tommy Lewis, mit minimaler Mimik und ohne ein Wort zu verlieren als effektivster Racheengel der ethnischen Minderheiten daher, seit Charles Bronson als Chato sein Land verteidigte.
Was den Film aber wirklich sehenswert macht, ist der Umgang mit der klassischen Ikonographie des Genres und seinen Stilmitteln. So gibt es auch hier Cowboyhüte, Pferde und Revolver, die lässig im offenen Holster getragen werden, aber eben auch Jeeps, Scharfschützengewehre und asphaltierte Straßen. Und der Kontrast zwischen Antiquiertheit und Modernität ist absolut stimmig umgesetzt. Der Showdown auf der Hauptstraße wird mit Kommandotaktiken geführt, Hufeisen schlagen Funken auf dem Asphalt, Autos werden zur Todesfalle, und Bumerang siegt über Schußwaffe. Stilistisch hebt sich der Film wohltuend vom aktuellen Actioneinerlei ab und setzt auf eine kontemplative, unaufgeregte Genreästhetik mit langen Einstellungen, minimalistischer Kameraführung und ikonischen Bildern, die ganz ohne kinematographische Schnörkel eine enorme Wirkung erzielen. Dieser Verzicht auf Hektik ist sicherlich einer der schönsten Nebeneffekte des aktuellen Westernrevivals, weil sich das Genre rigoros der Ästhetik des zeitgenössischen Actionfilms entgegenstellt und damit mittlerweile eine offensichtlich erfolgreiche Alternative zum Mainstream etabliert hat.
Im Extramaterial der DVD berichtet Regiedebütant Patrick Hughes, daß aufgrund des schmalen Budgets in einer abgelegenen Kleinstadt in den südöstlichen Hochebenen Australiens gefilmt werden mußte, was gleichwohl für eine fantastische, unverbrauchte Kulisse gesorgt hat. Daß man im Westerngenre also mit kleinem Budget großes Kino machen kann, sollte der Popularität des Genres zu Gute kommen. Es wäre wünschenswert.
2011-03-09 10:25