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Nokan – Die Kunst des Ausklangs

Okuribito. J 2008. R: Yojiro Takita. B: Kundo Koyama. K: Takeshi Hamada. S: Akimasa Kawashima. M: Joe Hisaishi. P: Shochiku Company, TBS, Amuse Soft Entertainment u.a. D: Masahiro Motoki, Tsutomu Yamazaki, Ryoko Hirosue, Kazuko Yoshiyuki, Kimiko Yo, Takashi Sasano, Toru Minegishi u.a.
130 Min. Kool ab 5.11.09

Leben und sterben lassen

Von Tamar Noort Japan nimmt in den Augen der westlichen Welt Gestalt an: Nokan – Die Kunst des Ausklangs gewann den Auslandsoscar, hat in Montreal und Palm Springs abgeräumt, und auch die Japaner haben den Film mit Preisen überhäuft. Solche Vorschußlorbeeren wollen erst mal eingelöst werden – doch dem ehemaligen Softporno-Regisseur Yojiro Takita ist tatsächlich ein Film gelungen, der sehr entspannt zwischen Melancholie und Lässigkeit hin- und herpendelt.

Der Cellist Daigo, der seinen Traum von der großen Musikerkarriere begraben muß und fortan als Bestatter seinen Unterhalt verdient, ist eine verlorene Seele im Sinne einer Haruki-Murakami-Figur: mit sich allein, nachdenklich, verantwortungsvoll. Er ehrt die Würde des Menschen und verliert niemals die Fassung, wie absurd die Ereignisse auch sein mögen. Daß sein Vater ihn verlassen hat, als er noch ein Kind war, hat aus Daigo einen poetischen Melancholiker gemacht – er sucht Trost in seiner Musik, und als sie ihn nicht mehr retten kann, sind es die Bestattungsrituale, die ihm Halt im Leben geben. Die Toten zu reinigen, sie herzurichten, sie vorzubereiten auf ihre Reise ins Jenseits – das ist eine Arbeit, die den Japanern äußerst suspekt ist. Im Land der »kawaii bunka«, der Niedlich-Kultur, wird die Beschäftigung mit den Toten offenbar als Bruch mit dem Leben gesehen. Doch gerade die Nähe zu den Verstorbenen führt Daigo zurück in ein Dasein, dem er Sinn abgewinnen kann. Er sieht seine Aufgabe als Dienst an die Lebenden, an jene, die zurückbleiben. Sein Ziel ist der schönstmögliche Abschied – damit kompensiert er, was ihm selbst als Hinterbliebener seiner Eltern verwehrt geblieben ist.

Takita begegnet seiner Figur mit großer Ernsthaftigkeit, Pathos lauert gar hier und da, aber in der Inszenierung blitzen immer wieder komische Momente auf. Verantwortlich dafür zeichnet meist Daigos lässiger Gegenpart, der Bestattungsunternehmer, der seinen jungen Mitarbeiter quasi wortlos in den Dienst nimmt – mit seiner Coolness ist er der heimliche Star des Films. In seinem sehr weltlichen, aber immer respektvollen Umgang mit den Toten zeigt sich, wie tröstlich es sein kann, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren. Wenn Japan auf diese Weise im Westen Gestalt annimmt, sind die Lorbeeren durchaus verdient.
2009-11-23 15:26

Abdruck

Dieser Text ist erstmals erschienen im Schnitt #56.

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