Apocalyptica Britannia
Von Nils Bothmann
Es wird wieder apokalyptisch im Kino, und in letzter Zeit ist Großbritannien ein beliebter Ort für Weltuntergangsszenarien. Nach
28 Days Later und dessen Sequel widmet sich nun Neil Marshall mit
Doomsday diesem Thema. Wir schreiben das Jahr 2035, die nördliche Hälfte Großbritanniens ist nach dem Ausbruch des sogenannten Reaper-Virus zur Quarantäne-Zone ernannt worden. Doch Elitesoldatin Eden soll mit ihrem Team einen Wissenschaftler aus der Todeszone befreien, da er scheinbar ein Mittel gegen das Virus gefunden hat, das nun in der Südhälfte auszubrechen droht.
Das klingt nach Genrekino und ist es auch in seiner pursten Form. Neil Marshall, der mit
Dog Soldiers und
The Descent ebenfalls sehr gelungene Genrefilme drehte, versucht sich gar nicht an Ansprüchen, an denen jüngere apokalyptische Filme wie George Romeros
Diary of the Dead oder
28 Weeks Later kläglich scheiterten. Marshalls Film ist eine Achterbahnfahrt im besten Sinne und hinterläßt trotzdem einen nachhaltigeren Eindruck als die genannten Beiträge: Wo bei Romero klischeehaft meuternde Nationalgardisten durch die Lande ziehen, da zeigt Marshall bereits in der Auftaktsequenz von
Doomsday wie die simple Pflichterfüllung einiger Wachsoldaten in einem Blutbad enden kann.
Da
Doomsday jedoch nicht nur ein Genrefilm, sondern auch ein postmoderner Genrefilm ist, finden sich unzählige Verweise auf verschiedene Vorbilder: Eden hat etwas von Snake Plissken, diverse Szenen erinnern an
Aliens – Die Rückkehr, immer wieder finden sich Referenzen an
Mad Max II: The Road Warrior usw. Jedoch ist Neil Marshalls Mix keine stumpfe Kopie, sondern entwickelt seinen eigenen, teilweise reichlich abgedrehten Stil, wenngleich einige Momente etwas sehr eigenwillig sind (z.B. die Gesangsnummer der Kannibalenhorde) und die unerwartete Mittelalterepisode gegen Filmende vielleicht eleganter einzubauen gewesen wäre.
Mag sich
Doomsday inhaltlich auf der Retroschiene bewegen, so wie es z.B.
John Rambo oder
Indiana Jones IV jüngst taten, so ist Marshalls Film inszenatorisch deutlich moderner angelegt. Die Videoclip-Ästhetik der Bilder erinnert an den Stil von Tony Scott oder Michael Bay, wobei Marshall sich nicht aufs reine Kopieren verläßt. Dabei muß der Brite mit weitaus weniger Budget auskommen als seine Kollegen aus Übersee, doch dem US-Blockbusterkino steht sein Film in keinem Belang nach.
Vor allem die wuchtige, mit einem ausgesprochen dynamischen Soundtrack untermalte Action ist eine helle Freude, da verzeiht man auch den gelegentlichen unpassenden Einsatz der Wackelkamera Marke Bourne. Doch Marshall kaschiert derartige Detailschwächen mit einfallsreicher Montage, steigert Tempo und Aufwand von Actionszene zu Actionszene und läßt den Film in einem Showdown münden, der jeden glücklich macht, der das
Mad Max II-Finale vergöttert.
Natürlich ist klar, daß
Doomsday kein Film für Feingeister ist, der Krawall um kannibalistische Horden und Virus-Epidemien richtet sich an Genrefans. Diese bekommen jedoch ein kraftvolles, kinetisch geschnittenes Spektakel serviert, daß mit einer überzeugenden Hauptdarstellerin punktet (Rhona Mitra tritt würdig in die Fußstapfen von Sigourney Weaver) und jene Form von unkomplizierter Action auf die Leinwand bringt, an die sich nur noch wenige Filmemacher trauen.
2008-06-06 14:36