Von Caroline M. Buck
Er ist auf dem besten Weg, Deutschlands innovativster Regisseur zu werden, dabei ist er ein klassischer Autorenfilmer, der seine eigenen Bücher verfilmt und die Musik auch gleich noch selber macht. Wer einen zweiten
Winterschläfer erwartet, wird einen Moment brauchen, sich auf den schnellen, frechen, urbanen Rhythmus von
Lola rennt einzustellen, mit dem Tom Tykwer so grundsätzliche Fragen wie die nach dem Sinn des Lebens und den Möglichkeiten des Menschen aufwirft – und auch gleich beantwortet.
Lola (Franka Potente) rennt durch Berlin und ist mit ihren feuerroten Haaren, mit blauem Feinripp-T-Shirt und grünen Hosen nicht zu übersehen. Von der Kamera nicht und von den Passanten auch nicht, die sie unterwegs anrempelt. Lola hat es verzweifelt eilig, denn ihr Freund Manni (Moritz Bleibtreu) hat sich in eine ziemlich ausweglose Lage manövriert und braucht mal eben ganz viel Geld. Zwanzig Minuten bleiben Lola, um durch halb Berlin zu joggen und es aufzutreiben, sonst wird Manni als letzten Ausweg einen Supermarkt überfallen. Lola ist immer die Erfindungsreiche gewesen, die aus jeder Klemme einen Ausweg wußte, weil doch Liebe alles kann. Nur am Geld und an der Unaufhaltsamkeit der Zeit scheint auch die Liebe zu scheitern. Lolas erster Rettungsversuch endet ziemlich abrupt, aber wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg, und da Liebe eben doch alles kann, erhält sie zwei weitere Versuche…
Daß drei gleiche Handlungsansätze – irgendwie fühlt man sich an Tarantinos
Jackie Brown erinnert – nicht langweilig werden, dafür sorgt auch die Musik, die jeder neuen Variante eine andere Stimmung gibt. Schauplätze, Kostüme, Wetterlage, Figurenpersonal sind dreimal die gleichen. Wen Lola im Laufen anrempelt, dessen weitere Geschichte wird im Schnelldurchlauf erzählt, und die ist jedes Mal anders. Tykwer nutzt technische Spielereien wie Split Screen, Zeitraffer, Zeitlupe, Videoästhetik für die Geschichten der anderen, im Kontrast zur klaren 35mm-Optik, in der Lola und Manni erscheinen, um seine Geschichte zu erzählen. Und die wunderbare animierte Titelsequenz von Gil Alkabetz paßt wie die Faust aufs Auge zum MTV-Rhythmus des Filmschnitts. Wer sie mag, braucht sich danach nur noch zurückzulehnen.
1970-01-01 01:00